Die Ursachen depressiver Störungen sind komplex und nur teilweise verstanden. Es werden biologische Faktoren (Prädispositionen) und Einflüsse der Lebensgeschichte als Auslöser angesehen.
Genetik als Ursache
Ausmaß der Erblichkeit
Eine Studie von 2015 auf der Grundlage von Familiendaten von 20.198 Personen in Schottlandergab eine Erblichkeit von 28 bis 44 %, wobei die gemeinsamen Umwelteinflüsse einer Familie nur einen kleinen Einflussfaktor von sieben Prozent bildeten.
Zwillingsstudien zeigten, dass die genetische Komponente nur ein Faktor ist. Selbst bei identischer genetischer Ausstattung (eineiige Zwillinge) erkrankt der Zwillingspartner des depressiven Patienten in weniger als der Hälfte der Fälle. Inzwischen konnten auch bei der nachträglichen (epigenetischen) Veränderung der genetischen Information Unterschiede zwischen betroffenen und nicht betroffenen Zwillingspartnern festgestellt werden, also Einflüsse der Lebensgeschichte auf die Steuerung der Erbinformation.
Ferner besteht zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren eine Gen-Umwelt-Interaktion, engl. gene–environment interaction (GxE). So können genetische Faktoren z. B. bedingen, dass ein bestimmter Mensch durch eine große Risikobereitschaft sich häufig in schwierige Lebenssituationen manövriert.
Umgekehrt kann es von genetischen Faktoren abhängen, ob ein Mensch eine psychosoziale Belastung bewältigt oder depressiv erkrankt.
Neurobiologie als Ursache
Als gesichert gilt, dass eine gestörte Signalübertragung insbesondere der monoaminergen Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin ein grundlegender Faktor ist. Allerdings sind auch weitere Signalsysteme beteiligt, und ihre gegenseitige Beeinflussung ist hochkomplex. Die Folge davon ist, dass etwa ein Drittel der Patienten nicht oder nur unzureichend auf Medikamente anspricht, die monoaminerge Systeme beeinflussen.
Jahreszeit als Ursache
Die sogenannte Winterdepression wird als eine unzureichende Anpassung an Jahresrhythmen und an die jahreszeitlichen Veränderungen des Tagesrhythmus aufgefasst. Daran beteiligt sind mehrere Faktoren, unter anderem die jahreszeitlichen Schwankungen bei der Bildung von Vitamin D durch Sonnenlicht.
Infektionen als Ursache
Auch chronische Infektionen mit Krankheitserregernwie Streptokokken (früher auch das Virus der Bornaschen Krankheit) stehen in Verdacht, Depressionen auslösen zu können. Die depressiven Syndrome bei schweren Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen werden nach heutigem Kenntnisstand durch Entzündungsprozesseund die dabei wirksamen Zytokine vermittelt und als „sickness behaviour“ bezeichnet.
Psychoaktive Substanzen als Ursache
Depressive Syndrome können durch die Einnahme oder das Absetzen von Medikamenten oder psychotropen Substanzen verursacht werden. Die Substanzen, die am häufigsten depressive Symptome verursachen können, sind Antikonvulsiva, Benzodiazepine (vor allem nach Entzug), Zytostatika, Glucocorticoide, Interferone, Antibiotika, Statine, Neuroleptika, Retinoide, Sexualhormone und Betablocker. Die Unterscheidung zwischen einer substanzinduzierten Depression und einer von Medikamenteneinnahme unabhängigen Depression kann schwierig sein. Grundlage der Unterscheidung ist eine durch einen Psychiater erhobene ausführliche Krankengeschichte.
Seit den 1980er Jahren hat die Verwendung von anabolen Steroiden im Kraftsport deutlich zugenommen. Da dies als Doping gilt, ist die Bereitschaft von Sportlern gering, sich beim Absetzen einem Arzt anzuvertrauen. Das Absetzen der Anabolika führt jedoch zu Entzugserscheinungen, die ähnlich sind wie bei anderem Drogenentzug. Bei geringerer Dosierung ist der Abfall des körpereigenen Steroidniveaus vergleichbar mit dem Rückgang, wie er bei älteren Menschen häufig anzutreffen ist. Nach einer Querschnittstudie von 2012 traten Depressionen bei Kraftsportlern mit einer Anabolika-Abhängigkeit doppelt so häufig auf wie bei Kraftsportlern mit Anabolika-Gebrauch aber ohne Abhängigkeit. Der Unterschied war hoch signifikant.
Das Auftreten von Depression als Entzugserscheinung nach Drogenkonsum ermöglichte es, diesen Effekt gezielt zu nutzen, um bei Tieren Depression und Möglichkeiten ihrer Behandlung zu erforschen.